Hatte Hildegard von Bingen starke Migräne?

Die Behauptung Hildegards Visionen seien Zustände von Migräneanfällen oder komplexen Halluzinationen, stammt von dem englischen Neurologen und Bestsellerautor Oliver Sacks, der diese Theorie in mehreren Büchern wiederholt hat: „Migraine“ 1970 und “The Man who mistook his wife for a hat“ 1998. Seitdem spukt diese Theorie durchs Internet – 27.700 Einträge –  und nun auch im Konstanzer „Südkurier“ vom 30. Dezember 2006.

In Wirklichkeit symbolisieren die erloschenen Sterne aus Hildegards ersten Buch „Scivias“(1) einen kosmischen Moment, nämlich dem Sturz des Lutzifers und seinem Gefolge aus dem Himmel, die wie Sterne beim Eintauchen in die Erdatmosphäre verlöschen.  Es ist schon ziemlich an den Haaren herbeigezogen, diese Vision mit einem Migräneanfall zu verwechseln.

 

Hildegard wusste sehr wohl zwischen einer göttlichen Inspiration und einem krankhaften Zustand zu unterscheiden. In ihrem medizinischen Lehrbuch „Causae et Curae“  beschreibt sie erstaunlicherweise bereits vor 800 Jahren nicht nur die Ursache der Migräne,  sondern auch das Heilmittel. Danach wird die Migräne durch eine gestörte Darmfunktion ausgelöst und eine Mischung aus Bärwurz, Birnen und Honig (2) - kurmäßig genommen - ist das Heilmittel.  Hildegard nennt dieses Mittel „ihr bestes Mittel, wertvoller als Gold“ und in der Tat  hat dieses Heilmittel bei vielen Patienten mit schulmedizinisch „unheilbarer“ Migräne mit einer Erfolgsrate von 70 - 80 Prozent geholfen.  Sollte sie wirklich Migräne gehabt haben, hätte sie nicht auch ihr bestes Mittel genommen?

Hildegard hat in einem Zeitraum von 35 Jahren mit ihrem Sekretär Volmar  zehn lateinische Bücher geschrieben, in denen sie die Medizin, Theologie, Kunst und Kosmologie zu einer Gesamtschau vereinigte. Dadurch hat sie  nicht nur beim Papst Eugen III., dem mächtigen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und  bei ihren Zeitgenossen große Bewunderung und Zustimmung gefunden, sondern auch bei ihren Zeitgenossen, wie z.B. beim gelehrten Abt Robert von Königstal (3):  “Aus Hildegards Worten vernehme ich die Stimme des Heiligen Geistes.“

Der Brief dieser Frau steht hoch über der aufgeblasenen Gelehrsamkeit der scharfsinnigsten zeitgenössischen Magister Frankreichs.  Befragt nach ihren Visionen antwortet die 79-jährige Äbtissin: „Die Worte, die ich sage, habe ich nicht aus mir, noch von einem anderen Menschen, sondern wie ich sie in himmlischer Schau empfing...Dies aber sehe ich weder mit den äußeren Augen und Ohren oder in der Fantasie meines Herzens.  Auch nicht mit meinen fünf Sinnen, sondern nur mit meiner Seele.  So erlitt ich niemals eine mich erschöpfende Ekstase, sondern ich sehe es wach, Tag und Nacht...Doch während ich es sehe, wird alle Traurigkeit und Not aus meiner Erinnerung genommen, so dass ich mich wie ein junges Mädchen fühle und nicht wie eine alte Frau.“ (4)

Wenn das Migräne sein soll, wäre Migräne bestimmt keine Krankheit, sondern eher ein Glücksfall!  Eine Migräneattacke setzt doch normalerweise den Patienten so außer Gefecht, dass er/sie für geistige oder körperliche Aktivitäten absolut unfähig ist. Hildegards Krankheit bleibt bis heute ein Geheimnis, sie selbst spricht von Traurigkeit und Not. Wenn man aber den Menschen, ohne ihn persönlich zu kennen, nur punktuell aus der Sicht seiner Krankheiten beurteilt, kann es leicht Fehlurteilen geben.

Hier unterscheidet sich die Hildegard Heilkunde mit ihrer ganzheitlichen Sicht wohltuend vom heutigen Spezialistentum, wobei der Menschen oft nur noch aus der Sicht seiner Organe behandelt wird. Wer Hildegards Originale liest und kennt, kann sehr rasch herausfinden, ob ihre Visionen krankhafte Zustände oder göttliche Inspirationen sind. Wie so oft „schützt auch hier die medizinische Wissenschaft vor Irrtum nicht.“

Dr. Wighard Strehlow, Strandweg 1, Allensbach

Quellen:
1. Hildegard von Bingen, Scivias, Otto Müller Verlag
2. Wighard Strehlow, Die Heilkunde der Hildegard von Bingen, Lüchow Verlag, Stuttgart
3. Hildegard von Bingen, Briefwechsel mit Wibert von Gembloux, Pattloch Verlag, Augsburg
4. www.st-hildegard.com

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