Ein Paukenschlag der Kosmologie

ldo 1Hildegards Buch von den göttlichen Werken LDO

Zu Ostern, dem Fest von Tod und Auferstehung, wiederholt sich symbolisch derjenige Schöpfungsakt, bei dem aus der Feuerkugel und dem Urknall vor 15 Milliarden Jahren das Universum entstand. Die unendliche Schöpfungskraft für diesen Transfigurationsakt ist eine Urkraft des Seins.

Hildegard beschreibt sie als die Kraft der Dreifaltigkeit, einer unverbrauchbaren Lebensenergie, die in jedem Geschöpf lebensspendend vorhanden ist und in der Lage ist solche Wunder zu vollbringen. Diese Energie ist es auch, die alle und alles im Universums miteinander verbindet und zusammenhält. Diese umfassende Schau des Universums als Heimat aller Geschöpfe und dem Zusammengehörigkeitsgefühl ist Grundlage der Naturreligionder Urvölker und der Mystiker, wie der hl. Hildegard von Bingen.

 

Den australischen Aborigines ist heute noch die Natur heilig und unantastbar gegenüber menschlicher Zerstörung und Ausbeutung. Selbst Gebirge und Felsen sind nicht nur tote Materie aus Mineralien, sondern sichtbare Zeichen der göttlichen Schöpfung. »In der heutigen Zeit« schreiben der amerikanische Theologe Thomas Berry und der Mathematiker Brian Swimme, Professor für Kosmologie und Philosophie in San Francisco in ihrem Buch ›The Universe Story‹, »sind wir ohne eine umfassende Geschichte des Universums. Die Historiker befassen sich nicht mit der ganzen Welt, sondern nur noch mit der menschlichen Geschichte bzw. die Astrophysik ausschließlich mit der physischen Dimensionen des Kosmos, als ob der Mensch etwa getrennt von der Geschichte der Erde und des Universums existiert.«

Selbst den heutigen Theologen sind diese Zusammenhänge von Mensch und Kosmos vollkommen unbekannt, wie sie Hildegard von Bingen in ihrem letzten Buch LDO, dem »Buch von den göttlichen Werken« gesehen hat.

LDO 2.Visio Der Bauplan des Universums

Sinn und Bedeutung des Lebens erschließt sich erst vollständig, wenn wir uns bewusst werden, welche kosmischen Zusammenhänge zwischen Gott und Mensch, Mensch und Kosmos bestehen. Denn Gott ist das Leben und die Liebe, aus dieser Quelle leben alle Geschöpfe: »Es gibt kein Geschöpf, das nicht in sich einen Sternenstrahl Gottes trägt, sei es das Blattgrün oder sein Same, die Blüten oder sonst eine Pracht, sonst wäre es nicht ein Geschöpf.«

Hildegard sah den Kosmos in ihrem »Scivias«-Buch mit 43 Jahren zunächst als eiförmige Gestalt und später im Buch »Welt und Mensch« als rotierende Kugel. Sie beschreibt Sonne, Mond und Sterne sowie die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde und ihre Beziehungen untereinander so genau wie nie einer vor ihr und nach ihr. Das Riesenrad wird durch die Kraft der kosmischen Winde in Bewegung gehalten. In der Mitte steht der Mensch und mit ihm und in ihm wirken die vier Elemente. 

»Gott hat die Welt zum Ruhme seines Namens aus ihren Elementen zusammengesetzt. Er hat sie mit den Winden verstärkt, mit den Sternen verbunden und erleuchtet und mit den übrigen Geschöpfen ausgefüllt. Er hat den Menschen auf der Welt mit allem umgeben und erfüllt und ihn mit so großer Kraft ausgerüstet, damit ihm die ganze Schöpfung in allen Dingen beistehe. Die ganze Natur soll dem Menschen dienen, so dass er mit ihr wirke, weil der Mensch ohne die Natur weder leben noch bestehen kann.« (PL 755 )

Die vier Lebenselemente als Bausteine des Kosmos »Danach sah ich ein riesiges Gebilde, rund und schattenhaft wie ein Ei oben zugespitzt, in der Mitte breiter und nach unten wieder schmaler. Die äußerste Schicht bestand rundum aus leuchtendem Feuer. Darunter lag eine dunkle Haut. In diesem Feuer schwebte ein rötlich-funkelnder Feuerball (die Sonne), so groß, dass das ganze Gebilde von ihm erleuchtet wurde. Darüber brannten drei Lichter (die Planeten Saturn, Jupiter und Mars). Sie gaben dem Universum Halt (durch ihre Gravitationskraft), damit es nicht versinke. Und der Feuerball stieg manchmal empor und viel Feuer flammte ihm entgegen, so dass seine Flammen weiter hinausloderten (Sonnen-Eruption). Zuweilen neigte er sich abwärts und große Kälte schlug ihm entgegen, so dass er rasch seine Flammen zurückholte.«

Die vier Weltelemente sowie die Viererzahl überhaupt ist prinzipiell die Zahl für die vier Bausteine des Kosmos, aber auch die für die Funktion und den Bau des Menschen, die Säftelehre, die vier Blutgruppen und davon abgeleitet die vier Temperamente und ihre charakteristischen vier Frauen- und Männertypen. Die vier Elemente entscheiden über den Säftehaushalt des Menschen, die Gesundheit und die Krankheit.

Kein Mensch existiert ohne dieses kosmische Prinzip, alles wirkt zusammen in dieser Ordnung, im Gleichgewicht und in der Harmonie, und so wird der Mensch gesund und bleibt am Leben. »Wenn die Elemente richtig und ordentlich ihre Aufgabe erfüllen, sodass Wärme, Tau und Regen einzeln und maßvoll zu ihrer Zeit kommen, die Erde und ihre Früchte gesund erhalten und so gute Ernte und Gesundheit bringen, wird die Welt gedeihen. Würden sie alle gleichzeitig und plötzlich und nicht zu ihrer Zeit auf die Erde herabfallen, würden sie die Erde auseinander reißen und krank machen.

Ebenso erhalten die Elemente im Menschen die Gesundheit, wenn sie in ihm ordentlich wirken. Sobald sie aber von dieser Ordnung abgehen, machen sie ihn krank und töten ihn. Solange die Gerinnung der Säfte, die im Menschen von der Wärme, der Feuchtigkeit, vom Blut und vom Fleisch abhängig sind, in Ruhe und im richtigen Verhältnis wirkt, hat der Mensch seine Gesundheit. Sobald sie aber alle auf einmal, unvorsichtig und im Übermaß über ihn herfallen, machen sie ihn krank und töten ihn. Wärme und Feuchtigkeit wie auch Blut und Fleisch sind nämlich durch Adams Sündenfall in die entgegengesetzten Phlegmata umgewandelt worden.«

Im Kosmos hat Gott alle seine Geheimnisse offenbart. Sie stehen sichtbar am Sternenhimmel, in den Himmelsrichtungen und Elementen und enthalten kosmische Botschaften, die dem Menschen helfen, sein Leben zu meistern und die Schwierigkeiten zu überwinden, wenn er sie entschlüsselt. Überwältigende Liebe fließt durch den Kosmos zum Menschen und verwandelt seine Schwäche in Stärke und Lebensenergie. Dadurch kann sich der Mensch immer mehr entfalten und seine vorschnelle biologische Uhr vom zu raschen Altern abhalten.

Hildegard liefert uns und mit dem kosmischen Rad den Schlüssel, die kosmischen Informationen zu entziffern. 600 Jahre später fasst der große Königsberger Philosoph Emanuel Kant seine Kritik der praktischen Vernunft zusammen: »Zwei Dinge erfüllen mich immer wieder neu mit Bewunderung und Staunen, je mehr ich darüber nachdenke: Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.«

Auch die Naturvölker betrachteten den Kosmos und die Gestirne als Quelle der Weisheit und feierten eine Kultur von Sonne, Mond und Sternen. Sie sahen die Sternbilder als Botschafter und Ratgeber, allen voran die australischen Aborigines (die Menschen, die bei der Schöpfung dabei waren), sowie die amerikanischen Indianer.

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